“An dieser Schule ist Platz für jede*n“

Ein Interview über gelebte Demokratie, freundschaftliche Beziehungen und unvergessliche Schulreisen mit den ehemaligen Schüler*innen Alina und Konsti. Das Gespräche führte Leon.

Wukblatt: Ihr wart auf der Schüler*innenschule und habt einige spannende Sachen erlebt. Was wäre da so ein Highlight, an das ihr euch erinnert?

Alina: Ich würde definitiv sagen, die vielen Reisen, weil man an anderen Schulen nicht die Möglichkeit hat, so viele unterschiedliche Orte zu sehen und so viele Leute kennenzulernen. Auch die Freundschaften zwischen den verschiedenen Altersgruppen. In anderen Schulen ist man halt in die Altersstufen, Klassen, Jahrgänge eingeteilt und hier ist es einfach nicht so, also man ist befreundet mit jung und alt, sage ich jetzt mal ganz brutal.

Wukblatt: Hattet ihr Kontakt mit jedem?

Konsti: Ja, ich denke schon. Das Coole ist, dass man an der Schule sehr viel Raum zur Selbstverwirklichung hat, weil niemand über einen urteilt und man sich wirklich mit jedem befreunden kann. Ich habe das Gefühl, dass es nicht an allen Schulen so ist. Es ist komplett egal, wie man ausschaut, was man gerne hat, oder was man glaubt. An der Schule ist Platz für jeden. Und das ist zwar theoretisch heutzutage immer so, aber diese Schule gibt einfach deutlich mehr Freiraum.

Wukblatt: Es ist eine demokratische Schule. Habt ihr das auch wahrgenommen und gelebt?

Alina: Doch, das war schon sehr ausgeprägt. Im Plenum zum Beispiel. Es war nicht so, dass die Lehrer*innen einfach sagen konnten, macht jetzt das, sondern, das wurde in der Gemeinschaft demokratisch abgestimmt.

Konsti: Ich denke, dass die Schule sich, was das angeht, wirklich verbessert hat. Als ich in die Schule gekommen bin, als ich zehn Jahre alt war, da war es noch sehr viel unregulierter. Was aber vielleicht nicht unbedingt die wahnsinnig beste Entscheidung gewesen wäre, wenn man zehnjährige Kinder über alles entscheiden lässt. Ich denke, dass die Schule es sehr gut gemacht hat mit der Demokratie, die freie Meinung mit einer guten Aufsicht zu verbinden, sodass nicht gröbere Fehler gemacht werden aufgrund von Unwissen.

Wukblatt: Wie war das im Unterricht, war es sehr strukturiert, gab es immer strikt die Hausaufgaben zu bringen?

Konsti: Es war sehr abhängig vom Lehrpersonal, aber ich denke, dass jeder Lehrer und jede Lehrerin für sich eine sehr gute Linie gefahren hat und es sehr viel Abwechslung gegeben hat. Es war grundsätzlich nicht so streng, aber es war natürlich trotzdem nötig, ein bisschen was zu zeigen, es ist ja immer noch eine Schule. Man hatte nie Angst oder Stress, irgendetwas nicht zu erreichen. Wenn man in ein Fach gegangen ist, wusste man, man wird jetzt nicht mit Fragen bombardiert bis zum geht nicht mehr, so dass du einen Nervenzusammenbruch bekommst. Sondern man wusste, man wird fair behandelt.

Wukblatt: War das nachher so, dass Angst und Stress zum Schulalltag gehört haben?

Konsti: Schon. Ich denke, in der Schule wird man gut darauf vorbereitet, was auf einen zukommt, ohne dass man überfordert wird. Danach hauen sie einen ins kalte Wasser. Man hat zwar zum Glück die Ahnung aus dem Buch, was auf einen zukommt und deswegen ist man nicht komplett überfordert, aber es ist einfach ein ganz anderes System, wo du Leistung bringen musst. Zwangsweise. Und wenn du es nicht tust, hast du Pech gehabt. Das hat mich über die Jahre hinweg sehr gestört.

Alina: Man wird hier auch für die anschließende Schule vorbereitet. Also ich habe hier extrem gut Zeitmanagement gelernt, es gibt auch hier Hausaufgaben und die sollten erbracht werden. Es war dann in meiner eigenen Verantwortung, die zu bringen. Das habe ich später extrem gut brauchen können, weil ohne dem, wenn man sich nicht irgendwie strukturiert, dann kann es schon mal überfordernd sein, weil man eben überhäuft wird mit Tests, Schularbeiten und Hausaufgaben, aber wenn man das hier gut mitnimmt, kann einem nicht so viel passieren.

Wukblatt: Wie war es in der Schule und in den Pausen? 

Konsti: Sehr unterschiedlich. Es war von Jahr zu Jahr anders, je nachdem, welche Leute in der Schule waren. Wenn man zu den Jüngeren gehört hat, dann haben die Pausen meistens daraus bestanden, dass man mit seinen Kollegen zusammengesessen ist, oder Fußball gespielt hat, oder Sonstiges. Je älter man geworden ist, desto durchgemischter ist es geworden. Es gab viele verschiedene Sachen, über die man sich unterhalten hat. Aber es war eigentlich immer sehr lustig. Ich denke, dass die Anzahl der Pausen extrem wichtig ist, weil ich in der Regelschule immer sehr überfordert davon war, dass ein schwereres Fach nach dem anderem kam und dazwischen habe ich acht Minuten Zeit, bis dann der Nächste Lehrer*in in die Klasse kommt. In der Schüler*innen Schule ist das Problem mit den Pausen sehr gut gelöst.

Alina: Man konnte auch einfach die Energie, die sich in den Stunden angesammelt hat, immer gut in den Pausen wieder loswerden, indem man in den Turnsaal gegangen ist, oder, ich weiß nicht, was wir immer gemacht haben, aber es gab immer genug Möglichkeiten für jeden, wie man seine Pause gestalten konnte. Ich finde es auch wichtig, dass die Pause nicht nur darin besteht, dass man dann nur sitzt und wartet, bis die nächste Stunde beginnt, sondern, dass man eben auch Möglichkeiten hat, Sport zu machen oder was auch immer sich zu bewegen.

Wukblatt: Dies ist ja eine sehr soziale Schule und man kann mit jedem was zu tun haben, von der 1. Klasse bis zur 5. Würden sie sagen, dass hat ihnen im Alltag geholfen?

Alina: Ja, ich finde schon. Also man ist viel offener für alle Menschen, die man kennenlernt. Dadurch, dass man immer irgendwo einen gemeinsamen Nenner findet. Und das bringt einen für die Zukunft weiter, eben auf Leute zuzugehen und ein Selbstbewusstsein zu schaffen, was die sozialen Kontakte angeht.

Konsti: Ich denke, das was wirklich cool an dem System hier mit den Altersunterschieden ist, ist dass sich 10-Jährige mit 14-Jährigen befreunden können. Diese Gruppen müssen dann miteinander auskommen, weil dass das System ist und man bekommt wirklich viel mit fürs Leben. Natürlich sind 14-Jährige auch nicht die erfahrensten Leute der Welt. Aber als Teenager ist das Wissen von einem 14-jährigen durchaus von Belang. Und ich habe mich als 10-Jähriger mit einem Schüler befreundet, der schon drei Jahre älter war als ich, und durch den hatte ich es in der Zukunft sehr viel leichter, weil ich wusste, wie es in den nächsten Jahren weitergehen wird. Ich denke, dass das in der Schule ein Riesenvorteil ist, dass diese Gruppen so miteinander zu tun haben.

Wukblatt: Wie war das mit der Handyregel?

Alina: Also die gab es in meinen ersten Jahren noch nicht und dann wurde die eingeführt. Bei uns war es damals so, dass wenn man mit dem Handy erwischt wurde, hatte man Aula-Dienst. Also man musste dann die ganze Aula aufräumen, aufkehren, Tische wischen, ja halt alles mögliche machen, was halt in der Aula angestanden ist. Das war bei uns so, aber wie gesagt, bei uns hat das erst angefangen. Ich weiß nicht, wie das jetzt ist.

Konsti: In meinem letzten Jahr ist es ein bisschen strukturierter geworden, was die Regel angeht. Es gab aber recht viele Schlupflöcher. Man hat sie gut ausnutzen können und die wurden in meinem letzten Jahr relativ gut eliminiert. Aber die Strafen, die Aufgaben, die man dann zu tun bekommen hat, wenn man erwischt wurde, waren bei mir dann etwas strenger. Es war nicht schlimm. In meinem letzten Jahr war es dann schon strenger. Da hat man mal für fünf Tage nach dem Unterricht Müll runterbringen müssen und da haben die Lehre*innen auch drauf geschaut. Und ich glaube, das wurde dann etwas besser strukturiert und strenger, nicht in dem Sinne, aber besser durchgesetzt.

Wukblatt: Wie war die Beziehung zu den Lehrer*innen?

Konsti: Ich glaube, das ist fast das Beste in der Schule. Diese fast freundschaftlichen Beziehungen mit den Lehrer*innen, weil es sind zwar durchaus Respektspersonen, das ist allen klar, aber es ist sehr angenehm, dass wenn man ein Problem hat, auch ein persönliches, dass man mit den Lehrern darüber reden kann. Wenn man einen Fehler macht, wird man von den Lehrer*innen nicht einfach wie in einer Regelschule gleich angeblafft, sondern sie fragen: Warum, was ist los? Man wird nett und persönlich darauf angesprochen. Es entsteht ein sehr angenehmes Gefüge und es gibt keine Person in der Schule, mit der man ein Problem haben könnte.

Alina: Diese sehr engen freundschaftlichen Beziehungen mit den Lehrer*innen sind auch etwas, was man später dann auch irgendwie braucht, weil man dann weiß, wie man mit Leuten reden kann, die Respektspersonen sind, aber trotzdem freundlich rüberkommen. Also ich habe das oft erlebt, in der Regelschule, dass Leute, die nicht aus dem WUK gekommen sind, ganz schlimm mit den Lehrer*innen geredet haben und nicht offen, freundlich nachgefragt haben, wie ist das und können wir das vielleicht so machen? Und auch gleich diese Lösungsvorschläge, die man dann vorschlagen könnte, haben dann auch nur WUK-Leute gemach. Also bei mir war es damals so, ich bin mit auf Sportwoche gefahren und wollte aber nicht Kajakfahren. Und da hieß es okay, ich kann trotzdem mitfahren, ich muss es nicht machen. Das finde ich auch schön, das man nicht zu Sachen gezwungen wird, die man nicht möchte. Deswegen ist der Alex dann extra nur für mich, da ich die einzige war, die dann zu Hause geblieben ist, mit mir geblieben. Das war dann so schön, dass dann trotzdem eine Lösung gefunden wurde. Und es war dann voll der schöne Tag. Es war eben, durch dieses freundschaftliche Verhältnis nicht dieses „Ich muss jetzt mit dem Lehrer zu Hause sitzen bleiben“, sondern man wusste, dass es trotzdem voll der schöne Tag wird. 

Wukblatt: Wie hat die Schule zu eurem politischen Weltbild?

Alina: Die ganzen Projekte, tragen extrem dazu bei, dass man sich weiterbildet, dass man neue Perspektiven bekommt, dass man sich auch in andere Leute hineinversetzt kann. Wir hatten damals einen Drag Workshop, wo wir uns dann einfach komplett umgestaltet haben. Ich war dann ein Mann und die ganzen Burschen waren halt als Dragqueen geschminkt und wir haben uns gegenseitig alle geholfen, das war einfach extrem spannend, sich in die andere Person auch hineinversetzen zu können. Dann wurde auch darüber geredet, wie sich die Eigenschaften von Mann und Frau unterscheiden. Es gab nicht nur dieses klassische Lernen, sondern auch die ganzen Projekte, durch die man eben ganz andere Perspektiven bekommen hat.

Konsti: Ich denke, da die Schule sehr politisch ist, habe ich den Vorteil gehabt, dass ich viel Ahnung hatte, was Diskriminierung ist, was Rassismus ist, was verschiedene politische Systeme bedeuten. Dadurch war es für mich sehr leicht, mir eine eigene Meinung zu bilden und nicht anderen Leuten nachzuplappern. Deswegen denke ich, dass ich durch die Schule auch gelernt habe, dass jeder Mensch gleich ist. Ich habe das Gefühl, dass bei vielen Schulen darauf nicht genug eingegangen wird. Ich denke, das ist sehr wichtig für die persönliche Entwicklung. (Ein Interview von Leon).